Dr. Detmar Jobst, gesundheitlicher Sprecher der Grünen Ratsfraktion erklärt zu einer Anfrage im Stadtrat zum Thema Obdachlosen und Drogenabhängigen im Bereich des Bonner Hauptbahnhofes, Busbahnhofes sowie des Kaiserplatzes:
„Dieses emotionale und sensible Thema ist manchmal ein Aufreger, insbesondere, wenn Passanten belästigt werden.
Die Fakten, sehen nach Auskunft der Stadtverwaltung folgendermaßen aus:
Die Anwesenheit von insgesamt 70- max. 130 wohnungslosen Menschen verteilt sich offenbar auf acht belebte Stellen der Stadt, mit einem Schwerpunkt an der Unterführung Poppelsdorfer Allee.
Diese Szene lässt mich nicht kalt. Ich jedenfalls muss häufig an die Gründe für die Anwesenheit von wohnungslosen und suchtabhängigen Menschen dort denken. Sie suchen Kontakt zu anderen und wollen ihren Tag bewältigen, sie brauchen die Großstadt, um nicht zu vereinsamen. Wer darüber mehr und Tiefergehendes erfahren möchte, kauft die fifty/fifty, das regelmäßige Straßenblatt wohnungsloser Menschen.
Wohnungslose Menschen bringen auch ihre Sucht mit, wenn Alkohol oder Drogen akut eine Rolle spielen, ihre manchmal ungepflegte Erscheinung, ihre Distanzlosigkeit. Hier ist die Arbeit der Streetworker, des VfG, des Ordnungsamtes und der Polizei notwendig und sehr wirkungsvoll. Dafür bin ich dankbar, weil ich ahne, dass deren Rolle nicht immer angenehm ist und manchmal robustes Eingreifen erfordert.
Beim Unterqueren der Gleise denke ich auch daran, wieviel wohnungslose Menschen mehr wir hier nicht sehen. Die Verwaltung nennt etwa 600 Menschen, die die Stadt Bonn unterbringt bzw. denen sie Obdach anbietet – vermutlich mit einer größeren Dunkelziffer. Auch für dieses Engagement bin ich dankbar. Die neue Initiative „Housing first“ mit einem Mietmodell zeigt in eine Richtung, die Wohnungslosigkeit beenden hilft. Es wird Menschen ohne eigene Wohnung ein Appartement zur befristeten Miete zur Verfügung gestellt.
Wir Grüne lehnen eine Alkoholverbotszone ab. Alkohol allein begründet keine Delinquenz. Ein erneutes Verbot würde die Szene durch Verdrängungseffekte nur verlagern.
Durch den besonnenen Umgang mit Obdachlosigkeit und Abhängigkeitserkrankungen wird ein Prinzip deutlich: Bonn möchte nicht ausgrenzen und nicht sanktionieren, wie vielleicht einige es möchten. In Bonn versuchen wir, Toleranz und Humanität zu leben. Auch wenn manche denken mögen, dass die Szene lieber verschwinden solle – es ist schlicht unmöglich. Die Stadt Bonn gehört allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.